Stottern- stolpern über Worte

Stottern

Stottern ist eine Redeflussstörung, deren genaue Ursache noch nicht gänzlich erforscht ist. Da sich Stottern in Familien häufen kann, geht man von einer genetischen Komponente aus. Wissen- schaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Stotternden die Weiterleitung von Nerven- signalen beim Sprechen gestört ist und z.B. die Aktivität im Sprechzentrum in der linken Gehirnhälfte schwächer ist als bei Menschen, die nicht stottern. Traumatische Erlebnisse, Schüchternheit/ Nervosität oder Sprachentwicklungsstörungen sind nicht ursächlich für das Stottern verantwortlich. Diese Faktoren können jedoch Auslöser sein bzw. zur Aufrechterhaltung des Stotterns beitragen. Jungen bzw. Männer sind etwas häufiger betroffen. Stottern tritt zumeist das erste Mal im Kindergartenalter auf.

Die Symptome bei Stottern werden in zwei große Bereiche unterteilt: Primärsymptome und Sekundärsymptome. Unter den Primärsymptomen versteht man die hörbaren Stottersymptome beim Sprechen: Wiederholungen (i-i-i-i-ich), Dehnungen (iiiiiiiiiiiich) und Blocks (_____ich). Als Reaktionen auf die Stottersymptomatik beim Sprechen kann sich eine sehr ausgeprägte Sekun- därsymptomatik entwickeln, die den Stotternden sehr belasten kann. Damit sind z.B. Mitbewe- gungen im Gesicht oder am ganzen Körper, Vermeideverhalten bei Gesprächen (z.B. beim Einkaufen), Rückzug aus dem Sozialleben, Selbstabwertung und Scham gemeint.

Die Diagnostik des Stotterns umfasst ein ausführliches Anamnesegespräch, in dem die indivi- duelle Entwicklung der Redeflussstörung sowie die Ausprägung der Sekundarsymptomatik erfasst wird. Hinzu kommt eine Untersuchung der Spontansprache im Gespräch sowie falls möglich beim Lesen eines kurzen Textes.

Die Therapie des Stotterns bei Kindern zielt auf das vollständige Verschwinden des Stotterns ab, die sog. Remission. Dies kann jedoch nicht immer erreicht werden. Ansätze, die eine vollständige „Heilung“ in kurzer Zeit versprechen, sind in der Regel nicht seriös. Kann eine Remission nicht erreicht werden, ist ein anstrengungsfreies und selbstbewusstes Sprechen mit leichter Stotter- symptomatik ohne Begleitsymptomatik das Ziel der Therapie. In unserer Praxis werden Kinder nach den folgenden zwei Ansätzen behandelt: KIDS von Sandrieser & Schneider (Nicht-Vermeide- Ansatz, bei dem der Abbau der Sekundärsymptomatik sowie die Modifikation des Stotterns durch Sprechtechniken im Vordergrund steht) oder nach dem Lidcombe-Ansatz (Verhaltenstherapeuti- sche Methode, die auf das positive Verstärken des flüssigen Sprechen abzielt) behandelt. Bei beiden Ansätzen spielen die Eltern als Co-Therapeuten eine wichtige Rolle.

Bei erwachsenen Stotternden ist eine vollständige Remission des Stotterns nicht mehr möglich. Das Therapieziel ist vielmehr, zunächst die häufig sehr ausgeprägte Begleitsymptomatik (Ängste, Scham, Selbstabwertung, Vermeiden) abzubauen und sich selbst trotz des Stotterns als kompetenten Sprecher zu erleben. Durch das Erlernen von Sprechtechniken lernt der Klient, sein Stottern im Symptom zu verändern und somit seine Flüssigkeit zu kontrollieren. Dieses Vorgehen wird als Non-Avoidance-Ansatz bezeichnet. Eine andere Therapiemöglichkeit ist das sog. Fluency Shaping, bei der der Stotternde eine ganz neue Art zu Sprechen erlernt, die das Auftreten von Stotterereignissen verhindert.